Die wechselvolle Geschichte rund um das Jöhlinger Taufglöckchen

 

Vielen alten Mitbürgern ist das Türmchen mit der kleinen Glocke auf einem Haus im Jöhlinger Oberdorf noch gut in Erinnerung. Vor rund 280 Jahren wurde das knapp ein Zentner schwere Glöckchen von Jakob Speck gegossen wie Gussinsignium und eine Inschrift beweisen: „Dem hohen Domkapitel Speyer gewidmet, Gemeinde zu Jöhlingen, Johann Jakob Speck, 1733, in Bruchsal“.

 

Im 15. und 16. Jahrhundert stellte der domkapitelsche Besitz in Jöhlingen einen bedeutenden Verwaltungsmittelpunkt dar. Die Herrschaft hatte ihren Sitz im wehrhaften Amtshof mit der Kirche im Mittelpunkt. Auch das ganze Dorf war befestigt. Drei Haupttore gewährten Zutritt zum Ort; von Südosten kommend durch das Wössinger Tor, auf dem das Glöcklein beziehungsweise sein Vorgänger hing.

 

Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts verlor Jöhlingen seinen wehrhaften Charakter. Die Menschen begannen außerhalb des befriedeten Bereichs zu siedeln; die Befestigungsanlagen zerfielen. Zu dieser Zeit dürfte das Glöckchen wohl auf den First des Bauernhauses gelangt sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Standort der Glocke gar nicht verändert werden musste, weil das alte Haus ursprünglich Teil des Wössinger Tores war.

 

Das Torglöcklein ertönte in alter Zeit wohl nur bei Feuer- und Kriegsgefahr. Dieses Läuten wurde anscheinend später ausgedehnt wie noch aus zwei Grundbucheinträgen der Jahre 1833 und 1865 zu ersehen ist: „Der Besitzer des Hauses hat die  Verbindlichkeit das auf dem haus angebrachte Glöckle zur Polizeistunde, für das Aufgebot, zu Frohnden, für Ermahnung zum Morgen- und Abendgebet, für die Einladung der Gemeinde in die Kirche und auf das Rathaus sowie bei Leichenbegängnissen erklingen zu lassen. Das Polizeiläuten hat jeden Abend Schlag 3/4tel auf 10 Uhr zu geschehen und zwar ¼ Stund lang…“.

 

Bis zum II. Weltkrieg jedenfalls hing das Glöckchen an seinem angestammten Platz. Dann wurde s wie viele andere Glocken der Kriegsverwertung zugeführt und sollte eingeschmolzen werden. Durch einen glücklichen Umstand blieb es verschont und tauchte nach dem Krieg auf einem Glockenfriedhof in Hamburg auf.

 

Die Besitzer des Hauses, dessen Bewohner sinnigerweise als „Glöckles“ im Ort bekannt waren, wollten bei Renovierungsarbeiten das marode Glockentürmchen nicht mehr erneuern. Und so fand das kleine Geläut hoch oben im Gebälk von St. Martin einen neuen Platz und kündigt die Tauf eines neuen Erdenbürgers an.

 

Die jetzigen Eigentümer Maus/Morawietz, die das Anwesen in der Jöhlinger Straße 38 im Jahre 2001erwarben, wurden immer wieder angesprochen, ob sie nicht wieder ein Glockentürmchen auf ihrem Haus anbringen wollten. Während eines Urlaubs fanden sie nun einen Zimmermann, der ein solches nach ihren Angaben fertigte. Dieses wurde jetzt am 29. September mit einer speziellen Leiter vor zahlreichen interessierten Zuschauern auf dem Hausdach installiert und mit einem kleinen Umtrunk gebührend gefeiert.


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